DIE VORGESCHICHTE:
Anfang der 1990iger wurde ich vom Weinvirus infiziert, zu verantworten hatte das ein spanischer “Vino della Casa” auf der Sonnen-Insel Fuerteventua, der einen frisch zubereiteten Fisch bestens begleitete. Bis dato nur Biertrinker, wollte ich dem Fisch kein spanisches Bier zumuten. Der Wein passte, schmeckte, die Urlaubserlebnisse nahmen die Arbeitskollegen zum Anlass, mir einen 1992er Chianti Classico von Castello dei Rampolla zum Geburtstag zu schenken. Und auch der schmeckte! Es folgten viele toskanische Urlaube mit vollem Kofferraum: Sangiovese rules!
Irgendwann entdeckte ich dann in einem Katalog eines Münchner Händlers einen Wein von einer mir völlig unbekannten toskanischen Rebsorte: Ciliegiolo! Sangiovese hatte ich ja in ausreichender Menge im Keller, aber von Ciliegiolo hatte ich – selbst vor Ort – nichts gehört oder gelesen.
Poggio Ciliegiolo hieß der Wein, Rascioni & Cecconello der Erzeuger, die Weinbeschreibung klang so vielversprechend, das der Bestellschein schnell ausgefüllt war.
Als der Wein dann endlich eintraf, war ich natürlich gespannt, der Wein wirkte ein wenig rustikal, ja bäuerlich, war aber von klarer Frucht und mit einem Mordstannin ausgestattet, welches ich so interpretierte, ihn erst ein Mal für ein paar Jahre zur Reife in den Keller zu legen, wo er nach 5 Jahren wieder auftauchte und in großem Glanz strahlte. Das war 1998.
Mittlerweile schreiben wir 2016, die Rebsorte hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm. Auf der Prowein traf ich voller Freude auf Martin Kerres von Valdonica. Seine wunderbaren Weine führen wir seit 2012 in unserem Programm, mich erinnern sie in gewisser Weise immer an jene Weine, die mich auf meinen ersten drei Reisen in die Toskana von 1992-1994 gefangen genommen haben. Puristischer Stoff, geradeaus, ohne Schnörkel, grundehrlich. Und irgendwann erwähnte er dann: “Bernd, demnächst kommt ein neuer Rotwein von mir, winzig kleine Auflage, steht qualitativ über bisher allen erzeugten Weinen, die Rebsorte ist eine urtoskanische, die Ciliegiolo!”
Schon bei diesem klangvollen Wort “Tschiledschioloohh” spulte sich vor meinem inneren Auge wieder diese ganze toskanische Geschichte ab, meine Neugier war extrem geweckt.
Zu Beginn noch recht stark vom 42-monatigen Ausbau im Eichenfass (auf dem Etikett stehen 24 Monate, leider wurde das Etikett zu frü gedruckt) geprägt, duftet er dennoch eher fein statt brachial nach edlen Hölzern und Tabak, dazu etwas dunkler Toffee, zeigt er dahinter eine tolle, klare Frucht mit floralen Anklängen. Im Mund enorm saftig, gut verpacktes, nicht klebriges Tannin, mundfüllend, ohne Schwerfälligkeit, feine Säure, kleine, dunkle Blaubeeren, etwas Rosmarin, nobel wirkend. Da ich bisher nur den Ciliegiolo von Rascioni & Cecconello aus der Ecke der Toskana kannte (das ist aber auch schon knapp 20 Jahre her) hatte ich ein gewisses Bild der Rebsorte “auf der Zunge”: viel pelziges Tannin, rustikal, straff, eine gewisse Bäuerlichkeit. Dieser hier jedoch entsprach dem ganz und gar nicht, im Gegenteil. Mit 36 Stunden Luft gewinnt der Wein enorm, zeigt jetzt sogar leicht salzige Anklänge, das Holz ist weiterhin nobel, der Wein wirkt in seiner Stilistik bei aller Mundfülle eher kühl denn warm, hat eine edle Ausstrahlung, auch als Solist geeignet, am Kamin, aber selbst auch im Sommer zum Sonnenuntergang. Dieser Wein lässt mich nicht unberührt zurück!
Well done, Martin & Valdonica-Staff!