Eigentlich war dieser Bericht schon für die Veröffentlichung im März geplant, denn wir haben von den genannten Weingütern einige Probeflaschen mitgebracht, leider sind wir erst vor 10 Tagen, also Anfang Juli dazugekommen, die Weine zu probieren. Die Degustationsnotizen stammen von der Veranstaltung in Frankreich.
Nach einigen Tagen des Verkostens in Avignon ging es am Freitag per Auto und in Begleitung eines heftig blasenden Mistral ca. 150 km weiter in den nördlichen Bereich der Rhône nach Tain L´Hermitage, einer mit Durchgangsverkehr überaus belasteten City. Den Bürgern scheint das wohl egal zu sein, nirgends findet man einen Protest für eine Umgehungsstraße oder eine andere Entlastung. An sich eine schöne Stadt, aber es werden zu wenig Verweilmöglichkeiten angeboten. So machten wir auch nur einen kurzen Stadtbummel, denn es standen die beiden Appellationen Crozes Hermitage und Hermitage auf dem Verkostungsprogramm.
Kaum am Verkostungsort, im Espace Rochegude, unmittelbar am Bahnhof von Tain – hinter dem auch DER Hermitage-Hang liegt, angekommen, mußten wir doch wieder einmal feststellen, wie klein die Weinwelt ist. Robert, Wolfgang und Dieter, Kunden von K&M und sehr ambitionierte Weinliebhaber, standen doch plötzlich vor uns. Welch Überraschung! Nach einem kurzen Plausch und dem Austausch von Tipps ging es ans Werk.
Crozes Hermitage erstreckt sich über 11 benachbarte Gemeinden des berühmten Hermitage-Hanges am linken Rhône Ufer. Der sowohl ton- als auch sandhaltige Lössboden ist eine recht seltene Zusammensetzung in dieser Gegend. Die kleinbeerigen, dünnschaligen Syrah-Trauben ergeben einen recht farbigen, tanninhaltigen Saft mit guter Säure.
Mein Erfahrungsschatz mit Weinen dieser Gegend geht gen null. In nachhaltiger Erinnerung geblieben ist jedoch ein Wein eines der schon seit Anfang der 90iger Jahre führenden Winzer. Alain Graillot´s 1990er Crozes Hermitage “La Guiraude”, damals von Blogger pivu im Rahmen eines der ersten Treffen des Rhein-Mann-Stammtisches im alten Weinland Keiler in Neu-Isenburg mitgebracht, faszinierte mich nachhaltig, einige der damaligen Geschmackseindrücke wie Graphit fand ich insbesondere bei jenem Winzer wieder, den ich hier mit seinen Weinen ausführlich beschreibe, weil es nicht nur für mich die homogenste und zugleich beeindruckenste Kollektion der Veranstaltung war.
Wo also anfangen zu probieren, wenn man weder die Weingüter geschweige denn die Weine kennt. Sicher hat man schon einige Namen mal gelesen, aber die Weine hierarchisch in ihrer Qualität einzuschätzen und eine gezielte Verkostung durchzuführen, war mir nicht möglich. So haben wir dann wahlos mal hier, mal dort probiert, aber der richtige Wein, der etwas in einem auslöst, der “mit einem spricht”, war irgendwie nicht dabei. Reichlich gefrustet traf ich dann unsere Freunde wieder, die ebenfalls von einigen vorgestellten Weinen recht enttäuscht waren. Nicht nur qualitativ sondern auch preislich stimmte bei vielen Weinen das Verhältnis nicht. Einzig bei Tisch 21 war man einer Meinung: “Klasse Weine, geh da mal probieren”.
So standen wir dann also bei Philippe und Vincent Jaboulet von der gleichnamigen Domaine.
Philippe und Vincent Jaboulet
Nun, Jaboulet ist kein unbekannter Name, das Weingut Paul Jaboulet Aine war bis zu seinem Verkauf und ist immer noch eines der Schwergewichte der Weinszene und weltweit ein Begriff für Weine von der nördlichen Rhône.
Auch Vater Philippe, 58 Jahre jung, war über 30 Jahre bei Paul Jaboulet Aine beschäftigt, er pflegte die Weinberge und war für den Traubenzukauf verantwortlich. Als das traditionelle Familienunternehmen verkauft wurde, erhielt er knapp 15 Hektar “Familien” – Reben und kaufte nochmals 15 ha Reben dazu, um ein neues Weingut zu gründen und den Namen Jaboulet gemeinsam mit Sohn Vincent, 26, einem ausgebildetetn Önolgen in Tradition weiter zu führen.
Für Philippe war es enorm wichtig, “Familien”-Trauben mitzunehmen, “denn sie sind ein Stück meiner Identität”.
Nach dem Hinweis, dass heute schon ungewöhnlich viele deutsche Händler am Stand probiert haben, ging es ans Werk, 2006 ist der Debut-Jahrgang, die 2007er Rotweine sowie der 07er Hermitage blanc waren noch Fassproben.
2006 Crozes Hermitage rouge “Domaine Collonge”
100% Syrah, die Rebstöcke sind die jüngsten, knapp 10 Jahre alt. Der Ausbau erfolgt immer in Stahltank, um Frische und Frucht zu erhalten. Schon hier faszinieren mich die Geschmackseindrücke nach reifen Beeren, ungemein saftig und frisch, man schmeckt mineralische Noten in Form von Graphit.
2006 Crozes Hermitage Domaine Ph. & Vincent Jaboulet
100% Syrah von 30-40 jährigen Reben, eine Selektion von verschiedenen Parzellen, zum Teil von Hand gelesen. Der deutlich längere Ausbau im Vergleich zum “Collonge” erfolgt in Beton- und Stahltanks, ein Teil des Weines reift anschließend noch für eine Zeit im Holz.
Letzterer kommt deutlich “erwachsener” rüber, viel mehr Struktur, alles intensiver, tolle Balance, immer wieder sticht diese besondere “Bleistiftnote” aus dem Wein hervor. Als ich anspreche, dass mir diese Note bereits vor über 10 Jahren bei Graillots La Guirade auffiel und mir diese bis dato in Erinnerrung geblieben ist und ich diese hier wiederfinde, entgegnete mit Vincent, dass einige Weinberge unmittelbar neben Graillots Lagen liegen. Zufall???
Preislich ist bei diesen Wein kaum ein Unterschied, beide machen auf Ihre Art viel Spaß, haben Spannung, Festigkeit, Struktur und das gewisse besondere, dass sie von vielen Weinen dieser Verkostung unterscheidet, sie sprechen mit mir!
2006 Crozes Hermitage “Nouvelére”
Seit vielen, vielen Generationen im Familienbesitz. 100% Syrahrebstöcke, die ältesten des Weingutes, zum Teil 60 Jahre und älter, darunter einige von den Original-Thalabert Parzellen, die früher in den besten Wein von Jaboulet-Aine flossen. 100% manuelle Lese, schonender Transport in 250 kg Behältnissen. Teilmazeration in großen Holzfässern, die Maische wird 2 mal pro Tag “überpumpt” , der Maischehut 2 mal pro Tag heruntergedrückt (Pigeage) Reifung zu 100% in Holz, teils Barrique, teils großes Holz. Der Name Nouvelere ist ein Wortspiel von “°Nouvelle” und “Era” und symbolisiert einen neuen Zeitabschnitt.
Dunkle Farbe, enorme Konzentration, saftige Ader am Gaumen, viele dunkle Früchte am Gaumen, schwarze Johannisbeeren, Feigen, auch teerige Noten. Bittersüßes Kakao und warme Himbeeren, die Ganache Noten unterstützen das fruchtige, hervorragend strukturierte Finish. Für mich erstmals ein Wein, der die 90 Punkte Marke knackt, im Stil eher als modern zu bezeichnen.
Der Wine Spectator vom 21.05.2008 vergibt 91/100 Punkzen und schreibt: “Dark and juicy, with lots of currant and fig notes supported by a tarry backbone. Bittersweet cocoa and warm raspberry garnache notes fill out the juicy, structured finish. Best from 2009 through 2014”
2007er Crozes Hermitage “Nouvelere” Fassprobe
15% des Weins lagen im Holzfass, im Vergleich zum 06er etwas stärker spürbar, auch etwas trocknend. Braucht sicher noch Zeit.
2006 Hermitage Rouge
Ebenfalls seit mehreren Generationen im Familienbesitz sind die über 30 jährigen Rebstöcke von steinigem Terrain aus der Gemarkung Les Dionniéres, wo Jean Louis Chave einige seiner besten Parzellen sein eigen nennt. Natürlich 100% Handlese, Vinifikation zu 100% in Holz, tägliche Pigeage, lange Mazeration, Reifung zu 100% in Holzfässern. Der 2006er ist recht konzentriert und sehr direkt in seiner Ansprache. Man schmeckt enorme Mengen an schwarzen Johannisbeeren und Brombeeren am Gaumen, die Tannine müßen in den nächsten Jahren noch abschmelzen, dann hat man bis ins Jahr 2018 einen wunderbaren Wein im Glas.
93/100 Punkte vom Wine Spectator: “Concentrated and very direct, with a big core of black currant and blackberry fruit rumbling across the palate, while notes of licorice, hoisin sauce, tar and graphit fill in behind. The grippy palate will need cellaring to round into form. Best from 2009 through 2018.”
2007 Hermitage rouge (Fassprobe)
Zwei Worte habe ich mir hier nur notiert: Extrakt und Druck! Ich denke, der 2007er wird früher antrinkbar sein, denn er hat schon eine tolle Balance. Aber er wird sicher auch ein langes Leben habben, denn die Parameter und die Eindrücke der Verkostung sind schon recht beeindruckend.
2006 Cornas rouge
100% Syrah älter als 10 Jahre, die Böden bestehen hauptsächlich aus Granit und Kalkstein. 100% manuelle Lese, Vinifikation im großen Holz, tägliche Pigeage, lange Mazeration, Reifung zu 100% in Barriques.
Purpurfarben, wir riechen rote Früchte, Gewürze und auch schwarzen Pfeffer, am Gaumen noch etwas ruppig, aber mit enormen Druck und Extrakt ausstaffiert. Braucht Zeit!
“This moves like a quarterback who excelled at ballet, hustling its prodigious, muscular fruit with grace equal to its energy. Sourced from Jaboulet’s 3.2-acre parcel planted in 1980, it’s dark and chocolaty, yet it manages to feel lifted with its notes of pepper, lilac and mint.” Wine & Spirits February 2009 (2006 Cornas, 93 points)
Nun zu den Weissweinen.
2007 Crozes Hermitage blanc “Dom. Ph. & Vincent Jaboulet
100% Marsanne; reich und frisch in der Nase, etwas weißer Pfirsich, Melone, gelbschaliger Apfel und ein Hauch Kamille. Am Gaumen reich in der Aromatik, frisch, viel Schmelz, macht Spaß. 90/100 Pkt.
2007 Hermitage blanc
Der Hermitage blanc wird zu 100% aus Roussanne gekeltert, was recht ungewöhnlich für die Gegend ist, denn die Rebsorte neigt stärker zur Oxidation und ist am Gaumen eher breiter angelegt, mit einer etwas softeren Textur, auch sehr reich am Gaumen, meist dominieren tropische Früchte, so dass viele Winzer – z.B. Michel Chapoutier – es vorziehen, diese Eigenschaften durch einen Verschnitt mit der mineralischeren, frischeren und fruchtgesteuerten Marsanne hervorzuheben. Nicht aber Vincent Jaboulet! Er hat in seiner Zeit des Praktikums bei Chateau Beaucastel – die ihren weißen Chateauneuf du Pape aus 100% Roussanne keltern – Gefallen und ein Händchen gefunden, dem Roussanne ebenfalls eine wunderbare Frische mitzugeben.
100% Roussanne; sehr reif, aber er ist ungewöhnlich schön fokussiert auf die Pfirsich, Mango und Papaya-Noten, unterlegt mit einer steinig-mineralischen Note und einem frischen Finish auf Noten von gelbem Apfel. Keine Anzeichen von Oxidation, trotz seiner Konzentration niemals schwerfällig. Die Reben stammen von den Maison Blanche und Les Beaumes Parzellen und sind schon seit Generationen im Familienbesitz. Die Lese erfolgt manuell, die Vinifikation in Holz, langes Hefelager mit Battonage, anschließend 10 Monate Reife im Fass. Ungemein schön zu trinken. Der Wine Spectator vergibt 92/100 Pkt.: ” shows excellent focus to the peach, mango and papaya notes that a backed by a stony undertow, with crisp yellow apple and enticing floral notes. Long, juicy finish
Fazit:
Eigentlich müßte ich ja froh sein, so ein neues und zugleich ambitioniertes Weingut entdeckt zu haben, bei dem auch noch das Preis/Qualitätsgefüge stimmt. Dennoch war ich von den meisten Weinen vieler Winzer sehr enttäuscht. Es reicht eben nicht, in einer doch renommierten Gegend Wein anzubauen und zu hoffen, dieses Renomée rechtfertige den Preis. Fehlt dort Innovation oder der Antrieb? Das es anders geht, zeigen die Jaboulet´s aus Mercurol!
Am 3.7.09 werden wir die Weine nochmals intern nachprobieren und uns die Meinung von einigen Kunden und Weinfreaks einholen. Ich bin gespannt!