Es hätte gestern so ein schöner Tag werden können: erst aktiv dafür sorgen, dass die “Perle der Uckermark“ nicht noch mal 4 Jahre regieren darf und am Nachmittag die besten deutschen Weißweine des Jahrgangs 2008 in den heiligen Hallen des Kloster Eberbachs probieren. Zumindest das Wetter war auf strahlenden Sonnenschein eingerichtet, es hielt auch am späten Nachmittag noch das, was es auf der Fahrt in den Rheingau versprach. Gegen 18:00 Uhr jedoch zogen gelb-blaue Wolken am Fernsehhorizont auf, ein staatsmännisch schauender Jüngling hat es der alten SPD Garde gezeigt und das genoss er in vollen Zügen. Ein wenig später zog eine rotbetuchte Grinsefrau von Kanal zu Kanal und verkündete: ich bin Kanzlerin aller Deutschen.
Da passte es ins Bild, dass ich nicht wirklich GROßE GEWÄCHSE probiert hatte, ein paar schöne Weine waren dabei, sicher, aber wirklich ganz Großes Geschmackskino war nicht dabei. Ich hatte schon im Laufe des Jahres auf diversen Veranstaltungen Gelegenheit, Weine aus diesem Jahrgang zu probieren, allerdings eben nur aus der Einstiegs- und Mittelklasse. sie alle haben – wenn man denn Säure im Wein mag – viel Trinkspaß bereitet, gerade die Kabinett-Rieslinge und Burgunder aus der Südpfalz. Und daher war ich gespannt, wie die Königsklasse mit diesen Säurewerten zurecht gekommen ist. Sehr gut sogar, da muss ich den Winzern ein großes Kompliment machen, wer den Mut hatte – und das waren einige -, nicht zu entsäuern, wurde mit guten Weinen belohnt. Bei vielen Weinen aber vermisste ich das Rückgrat, den Extrakt.
Hier meine persönlichen Favoriten aus 43 probierten Weinen:
2008 Riesling Felseneck Weingut Schäfer-Fröhlich / Nahe
Ein sehr kompakt wirkender Wein, sehr engmaschig und straff, Frucht vorhanden, nicht aufdringlich, Säure herrlich verpackt, dazu dicht und zugleich elegant, Druck ausübend, gute Länge, wunderbares Spiel von Rauch, Frucht, Mineralik. 92-94/100 BK-Punkte
2008 Riesling Niersten Pettenthal Weingut Kühling-Gillot / Rheinhessen
So langsam gefallen mir die Weine, nachdem ich bis vor 2-3 Jahren mit dieser m.M. nach eher sehr „kargen Aromatik“ wenig anfangen konnte. (Rot) Frucht ist nun vorhanden, wie ich sie früher bei den Gewächsen von Heyl zu Herrnsheim sehr mochte, dazu kommen aber ein kompakter Körper mit viel Nachhaltigkeit, samtig, ja fast ölig auf der Zunge tänzelnd, ein hauch Rosenduft, sehr fester, mineralischer Nachhall. 92/100 BK-Punkte
2008 Rieslng Morstein Weingut Wittmann
Tiefer, ungemein klarer Duft nach roten Früchten, am Gaumen druckvoll, sehr geschmeidig, nachhaltig, präzise am Gaumen, frisch, Druck. 92/100 BK-Punkte
2008 Riesling Marienburg Falkenlay Weingut Clemens Busch / Mosel
hochfarben, sehr klarer, frischer Auftakt, konzentrierte Gelbfrucht, salzig, fest am Gaumen, füllt den ganzen Mundraum aus. 91/100 BK-Punkte
2008 Riesling Birkweiler Kastanienbusch Weingut Rebholz / Pfalz
Dicht, konzentriert, finessereich und sehr mineralisch, viel Frucht, Hauch Exotik, auch dezent rauchige, kräutrige Noten. Tief. 91/100 BK-Punkte
2008 Riesling Berg Rottland Weingut Johannishof / Rheingau
Here I am: sehr offensiver Auftakt, mit lauter Frucht, dazu aber auch das Gerüst, guter Körper, nachhaltig, prickelnde Mineralität, man schmeckt förmlich die reifen Trauben, dazu ein Hauch geräuchertes. 90/100 BK-Punkte
2008 Riesling Gräfenberg Weingut Robert Weil / Rheingau
nur notiert: Druck. Kraftvoll, Würze, 90/100 BK-Punkte
2008 Riesling Frauenberg Weingut Battenfeld-Spanier / Rheinhessen
verhaltenen Nase, nasse Steine, rauchiger Aspekt. Am Gaumen fester, dichter Auftakt, im Hintergrund dezente Frucht, wieder Rauch, guter Extrakt. Schöner Wein; Kollege R.E. meinte: für Ihn die Riesling-Referenz. Von mir 90/100 BK-Punkte
2008 Riesling Ungeheuer Weingut Mosbacher / Pfalz
war klar der beste der 4 GG´s; sehr komplexer Wein, Rhabarbernote (das rote), Pfirsich, pricklende Mineralität, Rotfrucht, am Gaumen kraftvoll, Säure unterlegt den Körper, noch ein bischen eckig. 90/100 BK-Punkte
2008 Riesling Schlossberg Weingut Fürstlich Castell´sches Dömänenamt
saftige Säure, Körper, dicht und fest, macht schon verdammt viel Spaß auf hohem Niveau 90/100 BK-Punkte
Baden, Ahr Sachsen, Württemberg musste ich leider auslassen.
Eigentlich müsste ganz oben noch ein Wein stehen, der die 92 Punkte sicherlich mit 2-4 Punkten noch übertreffen würde, allerdings entspricht er nicht den Regulaarien der GG, für mich aber gehört er eindeutig in diese Kategorie, vielleicht sogar in die für mich wertvollere, private Kategorie „Gänsehautweine“
2008 Riesling 1.Lage Uhlen Laubach Weingut Heymann-Löwenstein / Mosel
Für mich das Highlight des gesamten Wochenendes. Reinhard präsentierte als Gastwinzer der Vereinigung „Klitzekleiner Ring“ seine Weine am Samstag abend in Traben-Trarbach dem zahlreich erschienenen Publikum in den Katakomben der Weinhandlung Der Wildbadwein.
Hochkonzentrierte Aromatik, sinnlich, ungemein kraftvoll, elegant, sehr straff und kompakt am Gaumen, puristisch, Noten von Speck, finessenreich am Gaumen, ständig eine andere Nuance wie Kräuter, Mineralik oder Frucht im Wechselspiel, dabei mit grandioser Länge. Im Moment sicher vielleicht schwierig zu trinken, da sollte man auf den Uhlen B setzen, der jetzt unglaublich trinkig ist, ebenso überzeugt hat uns der „vom blauen Schiefer“ den wir diese Jahr erstmals ins Sortiment nehmen werden, für den Uhlen L wird ich firmenintern ein Veto einlegen, der muss rein!
Überzeugend auch die Weine von Thorsten Melsheimer aus Reil und vom Weingut Andrzey Greszta aus Kröv, mit den Weinen von Martin Müllen (siehe Blogeintrag hier) werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr zurecht kommen. Bitternoten in jedem Wein, dazu zum Teil karge Aromatik, trotz recht niedrigen Alkoholwerten wirkten einige Weine alkoholisch und recht breit. Immer wieder höre ich hier, man solle die Weine reifen lassen, dann werden sie schon besser sein, ich würd´s ja gerne glauben, wer lädt mich zu einer Altwein-Verkostung ein??