Muß man Château Angelus eigentlich noch vorstellen? Innerhalb kürzester Zeit gelang Angelus der Aufstieg in die absolute Spitze der Erzeuger großer Bordeaux-Weine. Hubert de Bouard ist der Denker und Lenker auf Angelus, dessen Name “Engel” bedeutet. Passend dazu ziert das Etikett eine Glocke. Die Legende sagt, dass man von einer bestimmten Stelle des Weingutes gleichzeitig das Schlagen der Glocken der drei Nachbargemeinden St. Martin Mazerat, La Chapelle de Mazerat und die aus Saint Emilion hören konnte. Von letzterer wird behauptet, sie herausgehört zu haben. Wir haben es leider nicht überprüft…
24 ha Rebfläche nennt Hubert de Bouard sein Eigen auf Angelus. Hauptrebsorten sind der Cabernet Franc und Merlot, ergänzt von etwas Cabernet Sauvignon. Die Reifung erfolgt immer in neuen Barriques über einen Zeitraum von 18-22 Monaten. Es werden je nach Jahrgang nur zwischen 80-90.000 Flaschen gefüllt. 1996er gelang der Aufstieg zum Premier Grand Cru Classé und damit zu einem der besten Weingüter in Bordeaux.
Wie kommt man an eine Probe auf solch einem renommierten Weingut, werden sich sicher viele fragen. Immerhin ein Weingut, dass in der zweithöchsten Premier Grand Cru Classé B-Klassifikation eingestuft ist. Ich weiß es nicht! Egal, an diesem Termin hätte ich alles abgesagt, bis auf ein mögliches Championsleague-Finale mit dem KSC😉 Und daran wird ab kommender Saison gearbeitet!
Kurzerhand hat sich auch noch unser Winzer im Bordelais, Thomas Herter von Château Segonzac, angemeldet und so machten wir uns auf den Weg. Natürlich wussten wir irgendwann nicht mehr, ob wir nun links oder rechts abbiegen sollten, die Navigation lag zu Hause und Straßenhinweisschilder hat dieses Gut nicht nötig, und Thomas Herter verkehrt dort auch nicht wöchentlich, dass er den Weg kannte. Irgendwann hatten wir es aber geschafft und so stand einer genußvollen Probe nichts im Weg.
Ach ja, ich vergaß zu erwähnen, dass neben Angelus ja auch noch ein weiteres Weingut seine Weine präsentierte: das Schloßgut Diehl von der Nahe. Vielleicht hat sich ja von dort einer der Adresse bedient, mir auch recht.
Wir begannen also mit Weißwein aus heimatlichen Gefilden. Armin Diehl und sein Sohn Victor standen persönlich hinter dem Tisch, während bei Angelus 4 Angestellte für 4 Weine zuständig waren und noch ein paar weitere, die nur für´s Öffnen der Flaschen benötigt wurden.
2005 Cuvée Victor trocken
Grauburgunder & Weissburgunder für 10 Monate in neuem Holz ausgebaut. Ein insgesamt mächtiger Wein mit guter Balance, mir allerdings als Solowein zu mächtig. Ich würde ihn als Essensbegleiter zu gebratenem Fisch einsetzen. Das Internet-Portal Wein-Plus vergibt stolze 93 von 100 Punkten, die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann.
2006 Riesling “Eierfels” trocken
Stammt von Kalk und Quarzböden und reifte 7 Monate im klassischen Holzfuder. Der Eierfels enthält alle Trauben, die für die Großen Gewächse nicht gut genug waren. Abgefüllt wurde er erst Mitte Mai 2007. Auf mich wirkte der Wein sehr eigenwillig, mit Noten von Vanille, recht parfümiert. Das, was ich am Riesling so liebe, das Spiel der Aromen mit Süße und Säure konnte ich leider nicht feststellen.
2005 Riesling Spätlese “Goldloch”
Ausgebaut für 7 Monate im klassischen Holzfuder. Das machte etwas mehr Spaß. Mit 8,5% Alkohol ein wunderbarer leichter Vertreter seiner Art, wirkt auf der einen Seite verspielt, hat aber dennoch eine gute Tiefe mit guter Komplexität. Im Mund schöne Saftigkeit. Würde ich bei 88/100 Punkten einjustieren, aber ein Freund von Nahe-Weinen werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr werden. Insgesamt sind mir die meisten Weine, die ich aus dieser Region probieren konnte, zu wenig druckvoll. Ausnahme bestätigen natürlich die Regl, wie z.B Weine vom Weingut Schäfer-Fröhlich aus Bockenau. (Hat leider noch keine Web-Präsenz.)
2002 Riesling Eiswein
Haben wir den Wein angesichts 96 Wein-Plus-Punkten und einem Reife-Potential bis 2040 nicht verstanden? Diese Wertung habe ich erst eben nachgeschlagen. Nun, das Spiel von Säure und Süße war zweifelsfrei erkennbar, wobei mir die Säure etwas zu aggressiv im Vordergrund stand und am Ende Oberhand behielt. Zwischendrin gefällige Zitrusnoten, ein wenig Pfirsich, prägnante Säure, gut. Vielleicht muss ich erst noch 30 Jahre warten, um ihn zu verstehen. Wenn wir hier bei 96 Punkten sind, muss man die anzuwendende 100 Punkte – Skala für die edlesüßen Gewächse aus 2006 vom Weingut Breuer aus Rüdesheim um 50 Punkte aufstocken.
Nun, richtig begeistert haben mich die Diehl´schen Weine nicht, auch Thomas Herter nicht. Schade, dass zu so einem Anlaß die Chance nicht genutzt wurde, die trockenen Top-Weine zu präsentieren, aber anscheinend existiert auch keine Chateau-Reserve für solche Veranstaltungen, denn Victor Diehl beantwortete meine Frage danach mit : alles verkauft, nichts mehr da. Schade, hier wurde eine Chance verpasst. Dennoch scheint sich eine kleine Fangemeinde in Bordeaux zu bilden, führen doch einige Händler die Diehl´schen Weine und sie scheinen sich gut zu verkaufen.
Danach gönnten wir uns eine kleinen Mittagsimbiss am großzügig gestalteten Käsebuffet.
warfen einen Blick in den Barrique-Keller
um dann ans eingemachte zu kommen. ROTWEIN!!!
1998er Château Angelus
Immer noch erstaunlich dunkle, ja fast schwarze Farbe. Herrliche Aromen von dunklen Beerenfrüchten, Lakritz, ein Hauch Minze, natürlich auch Holz, süßlich-reife Noten, wunderbare, reife Tannine, herrlich komplex und konzentriert am Gaumen.
Parker vergibt 95++ Punkte bei einer Genußreife von 2005-2018. Preis in Deutschland ca. 140,- EUR
2001 Chateau Angelus
der erste Gesamteindruck: wirkt schon deutlich zugänglicher und antrinkbarer als 1998. Intensive, sehr reichhaltige Frucht von Brombeeren, schwarzen Johannisbeeren, leichten Kaffeeröstnoten bei viel weichem Tannin. Macht schon viel Spaß. Parker vergibt 93/100 Punkte. Preis im Fachhandel in Deutschland bei seriösen Anbietern bei ca. 110,- EUR
2004 Chateau Angelus
60% Merlot & 40% Cabernet Franc
schwarzes Rot oder doch rotes Schwarz??? Undurchdringliche Farbe! Erster Eindruck: ein faszinierende, kühle Aromatik. In seiner Gesamtheit eher an den 98er denn an den 01er erinnernd. Noten von Graphit, ganz leichte Bitterniß, herrlich feines Tannin, ganz zarte Edelschokolade schmeckbar, heller Tabak, tendeziell von einer fast elegant-burgundisch-aristokratischen Erscheinung, sehr viel frische Beerenfrucht (Erdbeere). Einer der Top-Weine des Jahrgangs. Um die 100,- EUR
Parker: 92-94+ Punkte
Weinwisser 19/20 Punkte
Bettane & Desseauve: 18/20 Punkte
Winespectator: 92-94/100 Punkte
Decanter: 5/5 Sterne
Revue du Vins de France: 4/5 Sternen
2006 Château Angelus (Fassprobe)
62% Merlot & 38% Cabernet Franc
Schwarz mit violettem Schimmer. Sehr offene, ätherische Nase nach reifen Kirschen, auch Gewürze wie Vanille und die allgegenwärtige Schokoladennote. Erstmals etwas Alkohol spürbar, liegt aber an seiner Jugend. Die Tannine sind natürlich deutlich spürbar, massiv und fordernd, aber eben auch weich und elegant und nicht austrocknend. Sehr gute Konzentration, fein und elegant, Blaubeeren und Brombeeren erschmeckbar. Wird sicherlich schon früh antrinkbar sein, kann aber auch bedenkenlos 15-20 Jahre liegen.
Parker: 92-95 Punkte
Weinwisser 19/20 Punkte
Neal Martin, Wine-Journal.com: 97-99/100 Punkte “Wein des Jahrgangs”
In Subskription, also Vorbestellung um die 160,- EUR netto, Auslieferung ca. im Frühjahr 2009
Fazit:
Wunderbar erkennbar die Handschrift, die klare Linie, vorallem die Direktheit der Weine. Am besten Gefallen hat mir der derzeit sehr schön zu trinkende 2001er, aber auch der 2004er mit seiner burgundischen Ader hatte etwas für sich. Auf Anfrage haben wir – und das sehr gerne – die (fast) leere Flasche des 2001ers vor dem Glaskontainer gerettet und Thomas Herter´s Kellermeister Gilles kam auch noch in den, wenn auch quantitativ geringen Genuß des Weines. Nun schmückt sie unsere Trophäensammlung im Laden.
Besichtigung möglich Mo-Fr von 11-19 Uhr, Samstag 10-16:00 Uhr 😉
Traubenzustand am 19.06.2007 auf Angelus
es muss gute Weine gegeben haben, ansonsten kommt der Autor ungerne auf´s Bild
Auch Thomas scheint es gefallen zu haben
Aktuell aus der November 2007 Ausgabe der Zeitschrift Vinum:
Nummer: 11-2007, Ausgabe D. Seite 88
Titel: Bordeaux. Verdienter Aufstieg
Château Angélus in Saint-Emilion hat etwas geschafft, was auch in Bordeaux selten ist: den Aufstieg in eine höhere Klassierungskategorie. Seit über zehn Jahren gehört das Gut zum engen Zirkel der Premiers Crus in Saint-Emilion. Verdient, wie unser Rückblick zeigt.
Angélus 1997
Reifendes, dichtes Rubin; würzig, nicht überaus komplex vielleicht, aber sehr gefällig. Im Mund dominiert etwas der Alkohol und übertönt die fruchtig-reife Textur, doch die Gerbstoffe sind erstaunlich geschmeidig, von guter Qualität. Jetzt trinken. 2007 bis 2008. 16.5/20 Pkt
Angélus 1998
Sattes und noch jugendliches Rubin; komplexe, würzig-fruchtige Nase; von grosser Dichte und Rasse im Mund, mit kernigem, herbem Tannin, langes Finale von roten Beeren; kann sogar noch reifen. 2008 bis 2020. 17.5/20 Pkt
Angélus 1999
Überraschende, blumige Aromatik, herbe, aber erstaunlich elegante Textur – wir haben ein Faible für diesen Rasse und Frische ausdrückenden Wein, der auch noch jugendlich-fruchtig endet. Das genau reife Tannin ist ohne Härte. Wenn man an die Bedingungen denkt, unter denen der Wein zustande kam (Hagel kurz vor der Ernte), eine totale Überraschung. 2008 bis 2013. 17/20 Pkt
Angélus 2000
Sattes, jugendlich glänzendes Rot; noch sehr zurückhaltend, blumig-fruchtig-würzig. Dicht, satt, saftig, voll und lang, feuriges Finale: Ohne die Rasse würde man den hohen Alkoholgehalt wohl als störend empfinden, so aber bleibt der Eindruck eines gewiss feurigen, opulenten, konzentrierten, aber letztlich perfekt ausbalancierten Weins, der noch etwas reifen sollte. 2008 bis 2016. 18/20 Pkt
Angélus 2001
Blumig, Noten von Pfingstrose, auch leichte Holznote; von erstaunlicher Frische und Jugendlichkeit, mit lebhaften Tanninen und langem, fruchtigem Finale. Ausgezeichnet für das Jahr. 2010 bis 2016. 17/20 Pkt
Angélus 2002
Satt und jugendlich, etwas flockiges Tannin, aber dennoch recht ausgewogen, frisch, macht Spass. Nicht zu lange reifen lassen. Im Ausklang spürbarer Alkohol. 2007 bis 2013. 16.5/20 Pkt.
Angélus 2003
Interessante Nase mit würzigen und blumigen Komponenten, erstaunliche, überraschende Frische, die Reife und der Alkohol erst im Ausklang spürbar, das etwas harte Tannin nimmt man gern in Kauf. Es stützt den Wein. Ausgezeichnet für das Jahr. 2009 bis 2012. 17/20 Pkt.
Angélus 2004
Superber Extrakt, Rasse und Dichte; langes, fruchtiges Finale, dichtes, kantiges Tannin.
2012 bis 2020. 17.5/20 Pkt
Angélus 2005
Trotz der schwierigen, sehr durch den Ausbau dominierten Phase, in der wir den Wein verkostet haben, von erstaunlicher Dichte und Rasse – wir sind doppelt gespannt auf den fertigen Wein.
2013 bis 2020. 18/20 Pkt.
Angélus 2006
Superbe Nase von Gewürzen und Beeren; rauchig und mineralisch; von aussergewöhnlicher Feinheit im Mund, voller Tiefe, elegant und lang, zeigt Schliff. 2014 bis 2020. 17.5/20 Pkt.