Brief aus Deidesheim – der Jahrgang 2016 bei Reichsrat von Buhl

2016 – ZURÜCK ZUM COOL CLIMATE

Eine kleine, allgemeine Anmerkung zu Jahrgangsstatistiken gleich mal vorab: Auch wenn sich die Durchschnittswerte in puncto Temperatur, Niederschlag, Höchst- und Tiefsttemperaturen sowie Sonnenstunden in diesem Jahrgang gar nicht so weit vom langjährigen Mittel der Jahre 1981 bis 2010 bewegen, im Vergleich zu den Vorjahren war 2016, das kann bereits an dieser Stelle konstatiert werden, ein extremes Jahr. Für uns ist heute ein Witterungsverlauf zum Standard geworden, der noch vor zwei Jahrzehnten als außergewöhnlich gegolten hätte. Wir haben uns an wärmere Sommer gewöhnt und haben eher Angst vor Trockenstress denn vor zu viel Niederschlag. Der Jahrgang 2016 hat uns alle mal wieder daran erinnert, was für unsere Breitengrade noch vor wenigen Jahren als wesentlich klassischerer Witterungsverlauf gegolten hätte als die Vorjahre 2014 und 2015.

Aber kommen wir zu dem speziellen Jahrgang 2016, der oft auf Messers Schneide stand, der unserem Außenbetrieb alles abverlangt hat und der nur dank des schönstens Spätsommers der vergangene zehn Jahre zu einem qualitativ sehr guten Jahrgang geworden ist. Und auch nur bei jenen Betrieben, die mit konsequenter Mengenreduktion eine gesunde Balance am Rebstock ermöglicht haben. Wer 2016 gierig war und gehofft hat, dass auch höhere Erträge eine gute physiologische Reife und Aromatik entwickeln, wird anders als im deutlich wärmeren 2015 vergleichsweise leere, unstrukturierte Weine im Keller haben. 2016 ist also mal wieder ein klassischer Winzerjahrgang, in dem Fleiß und Maß halten belohnt wurde.

Auf einen durchschnittlich warmen und bis auf wenige Tage frostfreien Winter folgte ein kühles, sehr regenreiches Frühjahr. Eine ungewöhnlich späte Kaltfront traf weite Teile der europäischen Weinbauregionen zwischen dem 26. Und dem 30. April hart. Genau zu diesem Zeitpunkt war die Knospenschwelle und damit die Phase, in der die Rebe mit am Empfindlichsten ist. In der Nacht vom 28. Auf den 29. April fiel auch bei uns in Deidesheim die Temperatur auf bis zu -2,9 Grad, allerdings war dieses Kälteextrem sehr kurz und wir kamen mit einem blauen Auge davon, denn einzig ein paar Weinberge in Friedelsheim und Niederkirchen bestockt mit Chardonnay und Spätburgunder erlitten Frostschäden. Danach stieg die Temperatur schlagartig an, und das auf bis zu 25 Grad am langen Wochenende um Christi Himmelfahrt. Unsere Jahrgangspräsentation konnten wir so bei Kaiserwetter im Garten abhalten. Doch dann kam pünktlich zu den Eisheiligen die nächste Kaltfront und sorgte erneut für einen Temperatursturz bis in den einstelligen Bereich, was die Entwicklung in den Weinbergen verzögerte. Sehr hohe Niederschläge folgten in Mai und Juni, was die Bildung von falschem Mehltau begünstigte.

Die Rebblüte fiel genau in diese schwierige Phase und als zertifizierter Biobetrieb mussten wir noch aufmerksamer jede Veränderung an der Rebe beobachten und vorausschauend arbeiten. Hier zeigte sich erneut die Erfahrung von unserem Außenbetriebsleiter Werner Sebastian, der auch 2016 unsere Reben sicher durch die arbeitsintensiven, feuchten Monate brachte. Im August gingen die Temperaturen dann nochmal kurzfristig auf Talfahrt, am zweiten Kerwewochenende regnete es an mehreren Tagen und unsere Gäste saßen teilweise in Daunenjacken unter den zu Regenschirmen umfunktionierten Sonnenschirmen. Die Nerven lagen blank, nicht wegen eines verregneten Kerwe-Wochenendes sondern weil klar wurde, dass der Witterungsverlauf alles andere als optimal war für eine gute Entwicklung am Rebstock. Doch es folgte ein traumhafter Spätsommer ab Ende August, der uns bis weit in den Oktober hinein fast niederschlagsfreies, intensiv sonniges Klima bescherte. Wir nutzen diese Phase, um zunächst mit händischem Entblättern der Traubenzone in allen Weinbergen die Reife zu begünstigen. Zunächst wurde nur die nach Norden zugewandte Seite entblättert, ab Mitte September, als die Intensität der Sonne nachließ und das Risiko von Sonnenbrand auf den Trauben minimiert war, ging unser Mannschaft nochmals durch alle Weinberge und stellte die komplette Traubenzone frei, wie man das vollständige Entblättern auch nennt. In den Spitzenlagen führten wir bereits im August eine Grünlese durch und reduzierten so bereits früh den potenziellen Ertrag zu Gunsten einer besseren Aromaausbildung und Intensität.

Der Startschuss für die Weinlese begann schließlich am 8. September mit der Lese von Weißburgunder und Chardonnay für Sektgrundweine. Die Spätburgunder, im Vorjahr noch vor den weißen Sorten gelesen, kamen am ersten Wochenende der Weinlese auf die Kelter. Für Sektgrundwein, das war bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich erkennbar, wird 2016 ein hervorragender Jahrgang. Diese frühe Prognose sehen wir nach dem Verkosten der nun weitgehend durchgegorenen Sektgrundweine mehr als bestätigt.

Die Hauptlese schließlich war dann wieder sehr nervenaufreibend denn es stellte sich ein Phänomen ein, das so selbst den erfahrensten Winzern nicht bekannt war: Stillstand bei der Einlagerung von Zucker in den Trauben. Die Mostgewichte veränderten sich in manchen Lagen innerhalb von drei Wochen oft nur marginal. Wir ließen uns nicht entmutigen und nutzten die Zeit, um mit kompletter Mannschaftsstärke ununterbrochen in bis zu vier Lesedurchgängen pro Weinberg nach und nach immer wieder die perfekt gereiften Trauben zu lesen und den Rebstock so zu entlasten, damit für die verbleibende Frucht mehr Kraft vorhanden ist. So konnten wir dann quasi als Punktlandung noch vor den starken Regenfällen am 20. und 24. Oktober die verbliebenen Trauben für unsere VDP.Großen Gewächse mit perfekter Reife ernten. Anfang November rückte die Mannschaft nochmals aus für Auslesen der botrytisierten Rieslaner-Trauben und nun hängen noch ein paar Rebzeilen Riesling, mit denen wir auf Eiswein pokern. Wenn alles klappt, gibt es dann zum ersten Mal seit 2007 wieder einen von Buhl’schen Eiswein. Noch sehen die Trauben optimal aus, aber das Klima der kommenden Wochen wird entscheiden, ob es klappt oder nicht. Ein bisschen Zocken darf auch mal sein …

Der Jahrgang 2016 hat uns die längste Ernteperiode der jüngeren von Buhl’schen Geschichte beschert und die bis dato mit Abstand teuerste Weinlese, denn unsere Erntehelfer waren sieben Tage pro Woche im Einsatz und das für teilweise zwei Monate am Stück. Wenn wir die jungen Weine nun im Keller verkosten, sehen wir den extremen Mehraufwand mehr als gerechtfertigt. 2016 wird kein muskulöser, mächtiger Jahrgang werden, keiner der laut nach Aufmerksamkeit schreit. 2016 ist bei uns ein sehr eleganter, feingliedriger Jahrgang geworden, ein Jahrgang, in dem jeder extra Tag der ruhenden Reife auf der Vollhefe vorteilhaft ist, damit sich die Aromen entwickeln und die Struktur langsam entfalten kann. Vor März wird es also aus den von Buhl’schen Kellern wieder nichts geben. Wir vertrauen auf Ihr Verständnis, gemeinsam mit uns geduldig zu warten und gegen den Jugendwahn anzukämpfen. Lehnen wir uns doch einfach mal wieder entspannt zurück mit einem Gläschen Wein aus 2014 oder 2015. Sollte Ihr Vorrat bereits erschöpft sein, können wir gerne Abhilfe schaffen.

Das hört man aus Weinberg und Keller:
Werner Sebastian, Außenbetriebsleiter:
Meine Aussage vom Vorjahr, dass ich noch nie so einen Jahrgang erlebt habe, trifft auch für 2016 zu. Aber ganz anders. Später Frost, dann so unglaublich viel Niederschlag im Mai und Juni, so viele Sorgen und Angst, dass wir die Trauben nicht reif bekommen und dann dieser sensationelle Spätsommer, der uns gerettet hat. Mehr Höhen und Tiefen kann man in einem Jahrgang nicht erleben. Dieser Jahrgang ging an die Substanz, aber der Einsatz hat sich gelohnt.

Mathieu Kauffmann, Kellermeister:
Ein verrücktes Jahr. Aber wenn wir mal ehrlich sind, haben wir im Vergleich zu so vielen anderen europäischen Anbaugebieten unendlich viel Glück gehabt. Niemand hätte im Juli gedacht, dass wir in allen Lagen gesunde Trauben ernten können. Es hat irgendwie dann doch noch alles in letzter Minute geklappt. Aber der Jahrgang war ein emotionaler und personeller Kraftakt, den wir nur mit einer starken Mannschaft meistern konnten. Umso schöner ist es nun zu sehen, wie prächtig sich der Jahrgang gerade in den Fässern entwickelt. Stilistisch ein sehr elegantes Jahr mit moderaten Alkoholgraden, in dem sich die unterschiedlichen Charaktere der verschiedenen Lagen sehr deutlich zeigen.