Champions League statt Kellerkind

Beitrag aus Spiegel-Online vom 08.10.07 13:19

Sie sind der Bayern-Jäger Nummer eins: Der Karlsruher SC steht nach neun Spieltagen auf Rang zwei der Bundesliga-Tabelle. Dabei zeigte das Team von Trainer Becker beim Sieg auf Schalke noch nicht einmal seine wahre Stärke.

In den ersten Wochen einer Bundesliga-Saison ist das Betrachten der Tabelle eine eher kuriose Beschäftigung. Meistens tummeln sich dann Mannschaften an der Spitze, die später absteigen oder allenfalls im UI-Cup mitkicken. Erst nach zehn Spieltagen, so heißt es, gebe die Tabelle erstmals ein realistisches Abbild der Leistungsstärke der Clubs. Wenn dem tatsächlich so ist, dann müsste der Karlsruher SC nur noch das Heimspiel gegen Arminia Bielefeld überstehen, um dann schon mal eine Generalkarte Europa aus dem Schrank zu holen – als Vorbereitung auf die Champions League im nächsten Jahr.

Natürlich, kein Karlsruher Kicker wird ernsthaft vom internationalen Geschäft reden, will er nicht einen Rüffel von Coach Edmund Becker riskieren. Wie schnell das gehen kann, vom Panther zum Teppichvorleger, hat schließlich gerade erst Arminia Bielefeld gezeigt, die eben noch als Bayern-Jäger ausgerufen worden waren und nach vier Niederlagen in Serie plötzlich im Tabellenkeller hocken. Aber zumindest ein bisschen dürfen die Karlsruher befriedigt feststellen, dass ihnen nur noch 22 Punkte zum Klassenerhalt fehlen. Das ist für den neunten Spieltag schon sehr ordentlich.

Und es spricht wenig dagegen, dass sich der KSC zumindest noch ein wenig länger in der oberen Tabellenhälfte wird halten können. Denn die derzeitige Stärke der Mannschaft resultiert auch daraus, dass die Verantwortung auf vielen Schultern verteilt wird. Sicher, einige stechen derzeit besonders heraus: Da ist der derzeit überragende Regisseur Tamas Hajnal aus Ungarn, der nach frustrierenden Jahren auf Schalke und in Belgien nun endlich gewillt scheint, es in der Bundesliga zu packen. Und natürlich Keeper Markus Miller, der sich zwar nach dem Spiel in Frankfurt mit Kollege Bradley Carnell eine ebenso bizarre wie kirmesreife Prügelei lieferte, ansonsten aber überaus souverän, unaufgeregt und reaktionsschnell das Tor hütet.

Gerade beim Sieg auf Schalke, der glücklicher war als das glatte 2:0 erahnen lässt, zeigte sich aber, dass die Mannschaft in ihrer Gesamtheit über eine bemerkenswerte taktische Reife verfügt. Es war zwar für die Zuschauer in der Gelsenkirchener Arena nicht besonders hübsch anzuschauen, für den Taktikfuchs Edmund Becker muss es die helle Freude gewesen sein, wie sich die Schalker Angriffe immer wieder in der perfekt gestaffelten KSC-Abwehr verfingen.

Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass auf Schalke die eigentliche Stärke der Karlsruher nicht einmal sichtbar wurde. Bis auf die beiden perfekt gesetzten Konter durch Stürmer Christian Timm hatte der KSC nämlich nur wenig offensiven Ehrgeiz erkennen lassen. Vor allem nach dem Führungstor in der 68. Minute wurde der Ball zumeist nur planlos aus der Abwehr geschlagen. Dabei können die Karlsruher genau das deutlich besser, gerade im berauschenden vergangenen Heimspiel gegen Borussia Dortmund war zu erkennen, welch offensiven Druck die Karlsruher Spielanlage entfalten kann. (Schönen Gruß an Udo Lattek, der am Sonntag im Doppelpass behauptete, der KSC bekommen Schwierigkeiten, wenn er selbst dass Spiel machen muss, Anmerkung K+M)

Sichtbar wird diese Angriffslust schon und vor allem in der Abwehr. Becker hat immer betont: “Bei der Auswahl meiner Spieler frage ich mich stets, können die auch Tore erzielen?” Die Verteidiger setzen diese Maßgabe vorbildlich um; fünf Tore haben die defensiven Kräfte Mario Eggimann, Maik Franz und Christian Eichner bislang bereits erzielt.

18 Punkte nach neun Partien – die Statements von Trainer Becker und Manager Rolf Dohmen haben bereits erkennen lassen, dass jedes Gedankenspiel, das Saisonziel Klassenerhalt zu modifizieren, als Störung des inneren Friedens betrachtet werden wird. Das ist klug, weil sie in Karlsruhe noch allerlei traumatische Erfahrungen mit hochfliegenden Plänen und tiefen Abstürzen mit sich herumschleppen. Das desaströse Projekt “KSC 2000”, das den Club in die Champions League bringen sollte, aber schließlich in die Regionalliga führte, ist noch längst nicht vergessen.

Bescheidenheit zu predigen, macht aber auch Sinn, weil die schweren Spiele womöglich jetzt erst kommen. Denn bislang ging die Mannschaft in fast jedes Spiel als Außenseiter. Gegen Kellerteams wie Bielefeld, Rostock und Duisburg, die allesamt schon jetzt mit dem Rücken zur Wand stehen und wenig attraktiven Fußball spielen, wird der KSC womöglich selbst Geduld beweisen müssen.

Dass er das kann, muss er noch zeigen. Die Chancen stehen aber ganz gut für das Projekt “KSC 2007”.