Kolumne von Stuart Pigott in der FAS vom 21.11.2010 über das Weingut von Racknitz

Vergesst 2009 nicht!
von stuart pigott

Kolumne von Stuart Pigott in der FAS vom 21.11.2010 über das Weingut von Racknitz

Gerade wegen der umfangreichen Medienberichterstattung ist es beim Wein manchmal schwierig, sich zu orientieren. Ziemlich groß und verwirrend waren die Schlagzeilen über die gerade abgeschlossene Weinlese in Deutschland. Von geringer Menge und geringer Qualität war zu lesen und zu hören; manche Journalisten haben das Urteil “schlechter Jahrgang” gewagt. Das beschreibt aber nur eine Seite der Wahrheit, nämlich die erste Hälfte der Lese, als vorwiegend frühreife Traubensorten wie Müller-Thurgau gelesen wurden. Aus der heutigen Perspektive wird deutlich, dass 2010 in Deutschland ein zwiespältiger Jahrgang ist, der aber ganz klar auch eine positive Seite hat: Die zweite Hälfte der Lese mit den spätreifenden Traubensorten wie Riesling verlief ganz anders.

Bei alledem wird gern vergessen, dass manche Weingüter wie von Racknitz in Odernheim/Nahe erst jetzt ihre 2009er Weine auf den Markt bringen. Seit über 250 Jahren gehört das Gut der Familie von Racknitz; seit 2003 wird es von Luise Freifrau von Racknitz-Adams, die Weinbau in Geisenheim/Rheingau studiert hat, und ihrem Mann Matthias Adams geführt, der vorher ein hohes Tier bei KPMG und Infineon war. Eine ungewöhnliche Kombination, doch die kreative Chemie zwischen beiden scheint zu stimmen. Von Jahrgang zu Jahrgang werden die Von-Racknitz-Weine besser und weisen eine ganz eigene Prägung auf. Inzwischen gehören sie zu den eigenständigsten Weinen an der Nahe. Bereits der normale 2009er Riesling trocken (7,50 Euro ab Hof und bei K&M, 069-71713430) hat einen wunderbaren Pfirsichton und viel Charakter für den Preis. Wie bei allen 2009er Weinen des Guts riecht man noch eine kleine, hefige Note von der langen Lagerung auf der Gärhefe, aber die hilft auch, die typisch rassige Säure der Nahe-Rieslinge zu bändigen und balancieren.

So stark dieser Wein in seiner Kategorie ist, in der mineralischen Kraft wird er vom 2009er Traiser Rotenfels Riesling trocken des Guts (20 Euro ab Hof) um Dimensionen übertroffen. Viel Fülle und satte Reife bilden eine imposante Einheit; ein großartiger 2009er Riesling. Er stammt aus einer Parzelle mit fast 80-jährigen Reben, die von Matthias Adams mühsam wieder aufgepäppelt wurden, dazu kommen ein sehr niedriger Ertrag und sehr späte Lese. Wie stark die verschiedenen Lagen diese Weine prägen, zeigt der deutlich schlankere und rassigere 2009er Odernheimer Disibodenberg Riesling trocken (16 Euro ab Hof), der viel Würze zeigt. Das passt zum Hausberg des Klosters Disibodenberg, wo Hildegard von Bingen Anfang des 12. Jahrhunderts lebte.

Wie langlebig die Racknitz-Weine sind, beweisen die etwas leichteren 2008er Weine des Gutes, die jetzt langsam zu ihrer besten Form finden. Sie vermitteln eine Vorstellung davon, wie sich die 2009er Rieslinge entwickeln werden, wenn man Geduld hat. Mit der Zeit kommt jede Wahrheit ans Licht – auch die über den Jahrgang 2010.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.11.2010, Nr. 46 / Seite 64

Alle Weine vom Weingut von Racknitz gibt es zu den Original-Winzer-Ab-Hof-Preisen bei K&M Gutsweine finden Sie hier