Toskana
Ich (Bernd) wurde definitiv in der Toskana vom Weinvirus infiziert. Eine Flasche 1992 Chianti Classico vom Castello dei Rampolla – ein Geschenk zum Geburtstag – lies mich neugierig auf die Region werden. Zumal in der Literatur immer wieder die hervorragenden lokalen Produkte und die einfache Verarbeitung derselbigen erwähnt wurde. “Cucina poveri”, die arme Küche wurde und wird sie oft genannt. Mir als gelerntem Koch gefiel das, kein Chi-Chi auf dem Teller, sondern einfache Zubereitung, der pure Geschmack auf dem Teller. Und so besuchte ich ab 1992 mindestens zwei Mal im Jahr die Toskana, was zum Glück keine großen Löcher in die Kasse riss, da sich die italienische Lira im Sinkflug befand. Mein bester Wechselkurs lag bei ca. 80 Pfennig für 1000 italienische Lira. Und so war der Kofferraum – und auch die Rückbank – unseres japanischen Kleinwagen immer gut gefüllt, zum Teil liegen heute noch hochwertige Weine der Jahrgänge 1988 und 1990 in meinem Keller und dürfen reifen.
Irgendwann aber lies die Reiselust dorthin nach, der Boom der italienischen Weine lies nach, auch weil viele Winzer während der 2000er Jahre ihr gut verdientes Geld nicht immer in die Weinberge steckten. Auch wurde von diesen versucht, durch Zugabe von Cabernet Sauvignon und/oder Merlot zum Chianti Classico in Konkurrenz zu den erfolgreichen Bordelaiser Gewächsen zu gehen. Solche Weine gingen in Amerika und leider auch vor Ort immer mehr über den Tisch, für mich verloren sie dadurch an Charakter und Identität. Das war nicht mehr meine Toskana.
Mehr als 13 Jahre dauerte es dann, bis ich die Region wieder besuchte. Es hatte sich aber sehr viel verändert. Das ursprüngliche, urtümliche ging größtenteils verloren, mir kam das alles sehr kommerzialisiert vor, die Herzlichkeit ging verloren. Ab 2007 widmete ich daher verstärkt meiner neuen Weinliebe Burgund. Die Flamme Toskana aber erlosch nie und so kam ich 2016 wieder in die Toskana, nicht von ungefähr, sondern dank solcher Winzer wie Martin Kerres vom Weingut Valdonica oder Alda & Giorgio vom Weingut Poggio al Gello. Ich bekam wieder Spaß an der Region, auch weil sich viele Winzer wieder zurückbesinnen auf die Sangiovese in purezza im Chianti Classico. Und es wird weniger mit den internationalen Rebsorten ergänzt, heute stehen wieder viele einheimische Sorten im Fokus wie Colorino oder Canaiolo, auch der Holzfassausbau wird nicht mehr so exzessiv geführt. Und so besuchte ich 2019 wiederum die Toskana, ein paar Geheimtipps aus den frühen 1990igern sind geblieben.
Wir begannen unsere Reise ganz im Süden der Toskana, in der Maremma.
Castagneto Carducci
Unterkunft:
Weingüter:
Restaurants:
Wunderbar direkt am Strand gelegen, wo man den Sonnenuntergang erleben kann. Einfache und gute Fisch- und Meeresfrüchte-Küche, gute Weinkarte.
Im Ortskern von Castagneto Carducci gelegenes Steakhouse-Restaurant. Nur abends geöffnet, keine Webseite.
Sonstiges
Bolgheri Green di Fabrizio di Bartoli
Liegt auf der Straße von Castagneto Richtung Bolgheri, zufällige Entdeckung, glasweiser Ausschank von guten Weinen, auf dem Green sind Möbel aus Holzpaletten zusammengebaut, viele Einheimische lassen hier den Tag ausklingen oder nehmen einen Aperitivo.
Kleine Weinbar direkt am Piazza Popolo 1. Sehr herzliche Betreiber, zum Glas Wein bekommt man einen großen Brotsalat mit Tomaten, Oliven, Käse und einem guten Schuss Olivenöl für lau. Mittwochs ist Markt und man kann von der Bar das Treiben beobachten. Hier gibt es auch eine kleine Auswahl der Weine von Fabio Motta.
Bolgheri
Die 5 km lange Zypressenallee sollte man mindestens ein Mal gefahren sein. Am einen Ende wartet dann das Dorf Bolgheri auf Sie.
Weingüter:
Restaurants:
Wunderbare Osteria mit einfachen Gerichten für kleines Geld. Großartige Weinauswahl, Topweine kann man auch Glasweise probieren, in dem Fall den wohl gesuchtesten Rotwein der Region, den 2016er Sassicaia der Tenuta San Guido. (20€ das 0,05l Glas)
Sassofortino
Sassofortino ist ein mittelalterliches Dorf in der Commune Roccastrada (ca. 800 Einwohner). Es liegt 130 km südlich von Florenz und 50 km südwestlich von Siena, in der Provinz Grosseto, Maremma, Colline Metallifere – im Herzen der Toskana.
Weingüter:
Das Weingut von Martin Kerres, der sich hier 2008 in die Gegend verliebte und eigentlich nur ein Ferienhäuschen suchte. An diesem hingen jedoch 100ha Land, zum Teil unberührte Natur, unberührte Böden. Also entschied er, sich hier niederzulassen und Weingutsinhaber zu werden. Die wunderbaren Weine von Valdonica gibt es seit 2010 bei K&M Gutsweine in Frankfurt zu kaufen.
Roccatederighi
Das Bergdorf liegt 5 Autominuten vom Weingut Valdonica entfernt und lohnt einen Besuch.
Restaurants:
Der Besuch bei Nada ist Pflicht. Hausgemachte Pasta, überhaupt ist alles hausgemacht, bis auf den Wein, der kommt von Valdonica und anderen Winzern der Gegend. Nada steht selbst in der Küche. Und was sie kocht ist himmlisch. Feinste Mama-Küche.
Florenz
Niemals endende Touristenströme, aber abseits der Trampelpfade findet man immer noch Kleinode.
Restaurants:
Ess- und Weinkultur. Hier kann man neben Weine kaufen auch essen und zwar richtig gut. Mittags etwas Pasta und ein Glas Wein das reicht vollkommen und ist mit 20€ zusammen noch fair bepreist.
Enoteca Bruni (ehemals Enoteca Fiorentina)
Beeindruckende Enoteca und Weinbar, Essen ist auch möglich. Beeindruckende Selektion von vielen Naturweinen.
Seit 1979 eine Institution in Florenz. Legendär die gelbe Paprikasuppe oder das Lammhirn. Gab es schon 1992 und gibt es auch immer noch heute. Top-Service, sehr guter Weinkeller, gibt auch eine “Letzte Flasche” Weinkarte, da kann man so manche Entdeckung zu wundervollen Preisen machen.
Etwas kitschige Einrichtung, aber das was auf den tisch und ins Glas kommt, ist gut gemacht und ihren Preis wert. Aber Vorsicht: üblicherweise ist man am Abend ja Antipasti, Primi, Secondo und Dessert. Beim Hauptgang jedoch warnte uns die Kellnerin vor der Portionsgröße, “das würde auch für zwei reichen”. Nun, am Ende war selbst diese zuviel für uns, wir nahmen “Doggypacks” mit. “Der Koch möchte keine halben Portionen kochen, meinte unsere Bedienung achselzuckend”. Jetzt wissen wir Bescheid.
Bei unserem ersten Florenz-Besuch 1992 sahen wir eine Schlange vor dem Resto und stellten uns an. Drinnen einfache Bestuhlung, blanke Tische und laut war es. Uns gefiel das, da wo die Einheimischen und Büromenschen essen, da muss es gut sein. Damals wie heute sehr zu empfehlen. Die Kellner machen ihre Arbeit mit Freude und sind immer für einen lustigen Spruch zu haben, es gibt einfache Hausmannskost du kleinen Preisen und eine gute Weinauswahl. Wir hatten den Pomino bianco 2020 von Frescobaldi für 20€ und er passte gut zum gegrillten Hähnchenschenkel (10€) mit gerösteten Kartoffeln.
Weinbar:
Caffe-Enoteca-Bar Sant’ Ambrogio
Liegt in unmittelbarer Nähe zum Cibreo und ist Absacker-geeignet. Viele Weine glasweise.
Siena
Restaurants:
Normalerweise meide ich Restaurants die auf dem Weg tausender Touristen am Tag liegen und zudem noch an bekannten Plätzen, da kann dann mal ein Kaffee schon 15 € kosten. Das Il Bargello liegt an einer der Treppen zum berühmten Campo von Siena. Aus leider nicht mehr nachvollziehbaren Gründen hatte ich mir diese Osteria aber auf meine ToDo-Liste gelegt und wir wurden ganz und gar nicht enttäuscht. Sonntag Mittag um 15 Uhr war es dann auch recht einfach, am Stadion einen kostenfreien Parkplatz zu finden, von dort sind es zu Fuß 15 Minuten zum Restaurant. Die Betreiber legen unglaublich viel Wert auf Qualität. Der Kaffee stammt von Le Piantagioni del Cafe, einem Premium-Röster aus Livorno, die Weinkarte führt eine Vielzahl bekannter Lieblingsweingüter wie Felsina, Isole e Olena, San Giusto a Rentennano uswusf. Alle Annta um die 20€, also fast zum Abhofpreis des Winzern. Die Speisekarte ist einfach gehalten, es gibt alle toskanischen Spezialitäten, wie Pici oder Parpardelle mit Fleischsaucen. Der Gastraum ist im hinteren Bereich in Kellerhöhe, alles sehr spartanisch, aber mit Flair eingerichtet, jeder Stuhl sieht anders aus. Alles ist sauber und gepflegt, Tische werden nach Verlassen der Gäste sofort aufgeräumt und sauber gemacht. Das ist nicht immer und überall der Fall. Die beiden Inhaber sind freundlich und es scheint ihnen Spaß zu machen, was sie da machen. Wir haben uns sehr wohl gefühlt. Uneingeschränkter Tipp, am besten aber nicht zu Stoßzeiten kommen, die Küche hat durchgehend geöffnet.
La Prosciutteria Crudi e Bollicine Siena
Leider nicht getestet, das sah aber sehr vielversprechend aus. Beimnächsten Besuch auf der Agenda
Weinbar:
Fußläufig nur wenige meter vom Campo entfernt und für mich die einzige Weinbar, die diese Bezeichnung auch so verdient. Wunderbare, vielfältige Weinkarte mit großer Auswahl an Wine by the glas. Dazu Cocktails und Kleinigkeiten zum Essen. Meine Entdeckung im September 2021.
Sonstiges:
La Vecchia Latteria Gelateria Artigianale
Großartiges Eis!
Weineinkauf:
Nicht nur Brunello, sondern auch andere Größen wie z.B. 2015 La Ricolma von San Giusto a Rentennano (100 Pkt. Galloni)
Anbaugebiet Chianti Classico
Barberino Val d´Elsa:
Weingüter: Isole e Olena Località Isole, 1, 50021 Barberino Tavarnelle (keine Webseite)
Paolo de Marchi stammt aus dem Piemont. Hier in der Toskana macht er mit die besten Chianti Classico, sein Flaggschiff Cepparello gehört jedes Jahr zu den gesuchtesten und höchst bewerteten Weinen der Region.
Bilder vom Besuch und Einkauf bei Martha und Paolo de Marchi im September 2019.
Castellina:
Unterkunft:
Das “Salivolpi” dient uns seit 1992 als Unterkunft. Ehemalige Bauernhäuser und Ställe wurden in je nach Kategorie in Zimmer umgewandelt. Nichts hypermodernes, sondern im Stil früherer Tage. Alles etwas rustikal, aber geräumig. Hier fühlen wir uns wohl, die netten Damen am Empfang sprechen zudem viele Sprachen und helfen in allen Lebenslagen gerne weiter.
Restaurant:
Albergaccio di Castellina (1 Stern Michelin), seit 1992 unser Lieblingsrestaurant. (Knapp 100m unterhalb des Hotel Salivolpi gelegen). Damals existierte das Restaurant unter der Leitung von Francesco Cacciatori und Köchin und Ehefrau Sonia Visman erst 3 Jahre. Wir stolperten da eher zufällig rein, da ich damals mit den Essensgepflogenheiten noch nicht vertraut war, standen wir um 19:30 Uhr (kein Italiener geht vor 21 Uhr essen) vor dem Resto. Francesco empfing uns, räumte hörbar im Obergeschoß des Restaurants Tische und Stühle um, und so verbrachten wir einen wunderbaren Abend. Noch heute liegt mir der Geruch des Feuers am offenen Kamin, in dessen Reichweite wir saßen, in der Nase. Wir waren dann im ersten Urlaub dort noch 3 Mal essen. Die Küche ist sich über all die Jahre treu geblieben, wirkt nie abgehoben, es ist verfeinerte toskanische Küche, aber immer ohne Schnick-Schnack. Dazu pflegt der Hausherr eine großartige Weinkarte mit fairer Kalkulation. 2019 feierten Sonia und Francesco mit ihren beiden Kindern 30-jähriges Betriebsjubiläum.
Weingüter:
Vegi macht urtraditionellen, biologisch zertifizierten Chianti Classico. Kein Cabernet, kein Merlot, viel ausladende süße Frucht. Chianti Classico zum Trinken und nicht Nippen.
Lilliano gehört zu den festen Größen, über die Jahre hinweg kaum schwache Weine und preislich immer attraktiv.
Alteingesessener Betrieb, den ich trotz vieler Reisen in die Toskana nie auf dem Schirm hatte. Erst eine Veranstaltung des Consorzio in München im September 2019 lies mich aufhorchen. Seit Ende 2019 bei K&M im Portfolio.
Radda:
Weineinkauf:
Restaurant:
Der besondere Tipp ist die Osteria Le Panzanelle, hier wird immer noch so einfach und gut gekocht, wie bei meinem ersten Besuch 1992. Crostini, Fettunta, Bistecca Fiorentina, Fagioli. Klassisch ohne Chichi. Dazu eine überaus fair kalkulierte Weinkarte, der 2017er Chianti Classico von Felsina kostet hier nur 20€, also gerade ein Mal 5€ über dem Abhof-Preis.
Gaiole:
Weineinkauf:
Metzgerei:
Macelleria Chini Via Roma 2, 53013 Gaiole in Chianti (keine Webseite, großartige Wurstwaren, insbesondere die Finocchiona ist aus meiner Sicht die beste der Toskana)
Castelnuovo Berardenga:
Weingüter:
Greve:
Chianti Classico Expo: An jedem 2. Wochenende im September präsentieren rund 40 Winzer aus Greve auf dem Piazza Matteoti ihre Weine. Hier Weine, die mir gefielen.
Weingüter:
Panzano:
Weinmesse:
Vini al Vino: An jedem 3. Wochenende im September (immer eine Woche nach der Messe in Greve) präsentieren rund 20 Winzer aus Panzano auf dem Hauptplatz ihre Weine.
Weingüter:
Az. Agr. Ca’ di Pesa di Burroni
Restaurants:
Enoteca Baldi: Man sitzt mitten am Piazza Bucciarelli, mitten im Geschehen. Sehr nett. Ein Teller Pasta (selbstgemacht oder nicht??) reicht, dazu ein Glas Wein oder Franciacorta von Nicola Gatta und dem Treiben zuschauen. Sehr gute Weinkarte.
Dario Checchini – Antica Macelleria Checcini
Artikel aus dem Feinschmecker
Erlebnisgastronomie. Braucht sie Theater, Schauspieler, Jongleure? Dario Cecchini beweist in seiner „Officina della Bistecca“ ganz klar: Nein! Er braucht ein einziges Produkt – Rindfleisch – und pure Leidenschaft zur Gastlichkeit, um aus seinen Gästen eine grölende Meute zu machen.
Macht erfolgreiche Gastronomie eine endlose Speisekarte aus? Verschnörkelte Gerichte, die mit Zutaten gespickt sind, von deren Existenz man bislang nicht wusste, geschweige denn, dass man sie aussprechen kann? Fragen, die Dario Cecchini mit einem müden Lächeln abtut. Schliesslich beweist er in seiner „Officina della Bistecca“ im toskanischen Panazano jede Woche aufs Neue das Gegenteil:
Bei ihm gibt es lediglich ein Menü, jeden Abend dasselbe – und das jede Woche, das ganze Jahr über. Die Hauptzutat dafür ist das Fleisch des Chianina-Rinds. Für manch einen mag es nur Fleisch sein, für andere wiederum eine Delikatesse. Denn dem Chianina – der grössten Rinderrasse der Welt – wird eine aussergewöhnliche Zartheit und Qualität nachgesagt. Für Dario Cecchini ist es jedoch mehr als Fleisch. Viel mehr eine ganz besondere Liebe. Sein Lebenselixier. Als vor Jahren die BSE-Krise kursierte, traf das den passionierten Fleischesser bis ins Mark. Damals war er nur ein einfacher Metzger, der den kleinen, aber feinen Familienbetrieb in der zweiten Generation führte und es liebte sein Bistecca della Fiorentina an seine Kundschaft zu verkaufen. Mit der Krise verbot die Regierung jedoch das Steak weiterhin mit dem gefährlichen Wirbelsäulenknochen, allerdings dem entscheidenden Geschmacksträger, zu verkaufen. Die Konsequenz Cecchinis: Er trug das Fiorentina zu Grabe. Life und medienwirksam schritt er mit einem grossen Stück Fleisch in den Händen vor laufenden Kameras durch die schmalen, schattigen Gassen Panzanos und beerdigte das Bistecca.
Fünf lange Jahre dauerte seine Trauer. Fünf Jahre, in denen die Tradition der Toskana in Stillstand geriet. Doch seit dem 1. Januar 2006 verkauft er es wieder – sein Chianina. Und um seiner Freude richtig Ausdruck zu verleihen, eröffnete er anderthalb Jahre später über der Familienmetzgerei die „Officina della Bistecca“. Dort wird seitdem das Fleisch nicht nur gegessen, viel mehr wird es gefeiert und zelebriert bis die Gäste in Jubelstürmen von den Stühlen aufspringen. Schliessen Sie die Augen und machen Sie eine Reise in eine andere Welt, in ein anderes Italien. Ein Italien, in dem man nicht erst um zehn Uhr abends zum Essen geht. Denn betritt man die „Officina della Bistecca“ erst um 20 Uhr, dann ist hier die Party schon im vollen Gange. Und wer in der „Officina“ – zu Deutsch Werkstatt – einen feingedeckten Tisch mit Tafelsilber mit weissgestärkten Stoffservietten erwartet, dem sei gesagt: Der Name ist hier durchaus Programm! Denn hier findet man rustikale Erlebnisgastronomie, in einem ganz neuen Format. Für den Obulus von 50 Euro pro Person bekommt man ein All-inklusive-Menü mit einem mehr als drei Stunden andauernden, sagenhaften Erlebnischarakter.
Die Plätze sind lediglich durch rote Papiersets mit dem Logo des Restaurants markiert. Daneben liegt ein weisses DIN-A 4-Blatt, das die Speisenfolge des Abends verrät. Auf dem Tisch ist alles für den ersten Gang eingedeckt. Salz, Pfeffer, Öl und Essig, für die bereitgestellten Gemüsesticks. Karaffen mit Wasser und mit Bast bespannte Flaschen roter Hauswein. Von allem gibt es soviel man will – ohne Aufpreis. Und wenn man einen besonderen Wein haben möchte, dann bringt man ihn sich einfach mit. So gerüstet kann der, mit einer gehörigen Portion Theatralik gewürzte, Fleischmarathon beginnen. Von verschiedenen Beilagen begleitet, lernt man die kulinarischen Werte des Chianina-Rinds zu schätzen. Zuallererst als Sushi. Und wo wir schon bei rustikal wären… Aus einer Schüssel schiebt Dario jedem ein Häppchen des rohen Rinds mit der Fleischgabel auf den Teller. Wie Hundefutter in einen Trog. Platsch. Schnell noch die Anweisung es mit Salz, Pfeffer und Olivenöl zu würzen und dann bekommt der nächste Gast seine Portion. Platsch.
Zum zweiten Gang gibt es das Sushi auf demselben Teller dann halb gegart. Die gleiche Prozedur. Platsch. Zwischen den einzelnen Gängen legen Dario und seine drei Köche, die das gesamte Lokalpersonal ausmachen und damit Mädchen für alles sind, Showeinlagen mit maximalem Unterhaltungswert ein. Es wird gescherzt, gejubelt und krakelt – und die internationalen Gäste, die regelrechte zur Officina pilgern, lieben es. Sie sitzen Mitten im Geschehen zwischen rohen Steaks, Wein und Beilagen. Der offene Grill mitten im Lokal versprüht eine fast unerträgliche Hitze, die einem den Schweiss auf die Stirn treibt, und auf verkohlten Rost brutzelt bereits anschaulich der erste Steakgang des Menüs: Bistecca Panzanese. Vier Zentimeter dick und so riesig wie drei grosse Männerhände. Immer wieder wendet der Koch die riesigen Fleischklumpen mit Handschuhen. Hygienevorschriften? Wen interessiert das bei diesem Spektakel?! Spätestens jetzt sitzt keiner mehr still auf seinem Stuhl. Alle wollen sehen, was als nächstes passiert. Entscheidend ist der richtige Moment des Garens, der das Fleisch zu der toskanischen Spezialität schlechthin macht. Aussen heiss, knusprig und saftig zugleich. Innen fast noch roh und dennoch genau richtig. Dann wird serviert. Dario Cecchini packt zwei Steaks mit seinen behandschuhten Pranken, reisst sie in die Luft und schreit durch das Lokal: „Io sono il Dio di Bistecca.“ – „Ich bin der Gott des Bistecca“. Die Gäste applaudieren, pfeifen und jubeln ihm zu. Weiter geht seine Huldigung auf sich und das Fleisch ehe es mit einem scharfen Messer in Würfel gehackt wird.
Wie eine hungrige Meute stürzen sich die Gäste auf die gehackten Fleischbrocken, die erneut mit einem Platsch auf ihrem Teller landen. Dazu ein Stück salzarmes Foccacia, etwas weisser Bohnensalat, gebackene Kartoffeln und Wein, der in Strömen fliesst. Wer sich jemals gefragt hat, wie die römischen Gelage früher einmal abliefen – der weiss es spätestens zu diesem Zeitpunkt. Wie im Delirium essen und feiern die Gäste den Abend, die Stimmung und das Bistecca. An einem Abend werden bis zu 30 Kilo Fleisch verbraten. Aber das ist nur eine Zahl, denn hier geht es um das Leben, die Freude, das Miteinander – und um die Einfachheit des Essens, die von bester Fleischqualität getragen wird. Von Donnerstag bis Sonntag entfacht Dario mit seinem Team dieses einzigartige kulinarische Stimmungsfeuer. Weit entfernt von toskanischer Stille, die man beim Betrachten der romantischen Landschaft mit ihren typischen Zypressen- und Olivenhainen verspürt. Und dennoch ist ein Abend beim Gott des Bisteccas ebenso berührend und unvergesslich.”
Wir haben es dann auch getan, wie einmal das Oktoberfest besuchen, einmal das Pokalfinale mit seinem Klub in Berlin erleben, einen Baum pflanzen uswusf. So dramatisch wie oben geschildert (“Wie eine hungrige Meute stürzen sich die Gäste “) war es dann auch nicht. Es ging alles gesittet zu. Aber wenn 50 Leute an einer Tafel sitzen und man sich mit seinem Sitznachbarn aus den Niederlanden unterhalten will, muss man die Stimme etwas erheben, wenn rechts von dir gerade wieder einer “SALUTE” anstimmt. Darios Mannschaft hat uns perfekt unterhalten (der Chef kam erst später dazu), das Essen war ok und mit 50 EUR inkl. Wein und eigenem mitgebrachtem Wein passend. Ob ich das ein zweites Mal erleben muss? Nein, ich habe es dann im Resto doch lieber etwas ruhiger. ÜBRIGENS, das Fleisch stammt nicht aus der Toskana, es wird aus Katalonien importiert, aber das stört hier keinen…
Weineinkauf:
Stefano Salvadoris “Academia del Boun Gusto” liegt auf dem Weg zur Kirche von Panzano. Von dort hat man einen phantastischen Blick auf das Conca d´Oro. Auch Stefanos Blick auf das Weinverkaufen ist weitreichend. Bei ihm geht man nicht durch den Laden so wie bei vielen anderen Vinotheken und geht dann wieder raus, weil sich keiner kümmert oder weil man nichts gefunden hat. Er verkauft offensiv. Als wir in seine etwas chaotischen Vinothek eintreten, dirigiert er gerade ein Musikstück aus einer Oper. Nach einer Weile des Musikgenusses frage ihn nach den Weinen von Alesio Burrones Weingut Ca di Pesa, die mir auf der Expo in Greve gut gefielen. Er hatte sie und wir kamen immer mehr ins Gespräch. Das er nur kleine, unbekannte Weingüter vertreibt. In der Tat, die meisten der Labels kannte ich nicht. Er verschwand kurz und kam dann mit 2 Gläsern zurück und schlug sie erstmal gegeneinander Ein bisschen Show muss sein. “Hier, probieren Sie doch mal den, 100% Sangiovese, kleines Weingut, Tenuta Branca.” Er gefiel uns sehr gut und wir probierten noch dies und das und er erzählte uns von sich und wie er überhaupt Vinothekar wurde. Der Verlust des Jobs 2007 war sein Wendepunkt und er beschloss diesen Weg zu gehen. Weine mit Emotion und von passionierten, kleinen Winzern anzubieten. Mir gefällt das, es erinnert wieder an die Anfänge 1992 in der Toskana, als alles etwas ursprünglicher war. Jedenfalls gingen wir nicht ohne ein Sixpack von der Tenuta Branca aus dem Laden. Und er hat nun einen 18er Riesling Kabi Sonnenberg von Stefan Müller zum Probieren.
Villa a Sesta:
Restaurant Bottega della 30 (1 Stern Michelin)
1992-1994 waren wir hier regelmäßig Gast und immer sehr zufrieden. Damals kochte Helene Stoquard noch selbst und ihr Ehemann Franco machte das Restaurant zu seiner Bühne. Es war uns immer ein Fest, die Küche phantasievoll, ein Mix aus toskanischen Gerichten mit französischem Einschlag. Bei unserem Besuch im September 2019 jedoch wurden wir enttäuscht, die Gerichte für mich leider nicht Sternewürdig. Dafür fehlte es für mich u.a. an Raffinesse. Das gefüllte Perlhuhn an sich war einfallslos mit Spinat und Brät gefüllt, so hätte ich es noch akzeptiert, aber leider verdarb mir die dazu drapierte, ziemlich kleistrige Brotsauce, die dem Gericht eine unnötige Schwere verlieh, den Appetit. Der Raviolo war ok, aber das bekomme ich auch in einer etwas ambitionierteren Osteria. Helene kocht leider nicht mehr selbst, sondern kümmert sich um Ihre Gäste im Restaurant. Schade aber, das sie es nicht für nötig befindet, Ihre Gäste persönlich zu verabschieden. Aber vielleicht hat sie der Service nur einfach nicht informiert…
Pienza
Das Bergdorf liegt 5 Autominuten vom Weingut Valdonica entfernt und lohnt einen Besuch.
Restaurants:
Montalcino
Weineinkauf:
San Gimignano
Weinbar
Grandioser Ausblick auf der Terrasse, für den kleinen Hunger eine Fettunta mit Taleggio und bestem, gekochten Schinken belegt, dazu ein Glas Vernaccia und die grandiose Aussicht.