Vor sechs Jahren hat die Familie Herter-Marmet das Seeland verlassen und ein Weingut in Bordeaux übernommen. An der Vinifera kehrt sie nun mit den Früchten ihrer Arbeit in ihre Heimat zurück.
Von Reto Bürki (bieler Tagblatt)
Vor dem Bieler Kongresshaus fällt ein leichter Nieselregen. Das Ehepaar Herter erscheint, wie es sich für gebürtige Schweizer gehört, pünktlich am abgemachten Treffpunkt. «Wir haben uns seit unserem Umzug nach Frankreich nicht gross verändert», sagt Thomas Herter, «über all die Jahre haben wir auch nie den Kontakt zu unseren Freunden hier verloren.» Einzig etwas sei leicht anders, ergänzt er nach einer kurzen Denkpause, «ich habe gelernt, wie viel Liebe und Arbeit in diesem Produkt steckt». Mit Produkt meint der 41-Jährige den Wein, der seit mehreren Jahren zu seinem Lebensinhalt geworden ist. Nachdem er eine Flasche auf den Tisch gestellt hat, zieht er den Korken und beginnt zu erzählen – vom fruchtigen Geschmack des Weines und dem Beginn ihres neuen Lebens. Angefangen hat das Abenteuer mit einem Zeitungsinserat, welches dann Charlotte Herters Vater Jacques Marmet dazu bewogen hat, 1990 die Residenz im Westen Frankreichs zu kaufen. Das Château Segonzac war dabei sowohl der Höhepunkt seines Hobbys wie auch die Erfüllung eines Traumes. Nach mehreren Jahren, in denen ein Unternehmen den Weinbetrieb führte, übergab er das Weingut seiner Tochter und ihrem Ehemann. Dies jedoch nur unter einer Bedingung: «Er meinte, dass die neuen Besitzer des Schlosses dieses auch bewohnen sollten», sagt sein Schwiegersohn.
Mit seiner rechten Hand füllt Thomas Herter sein Glas und beginnt dieses zu schwenken. Dies sei ein typischer Einsteigerwein, sehr fruchtig im Geschmack.
«Die ersten drei Monate war ich alleine in Bordeaux», blickt der gebürtige Lengnauer zurück, «ich habe während dieser Zeit Ausbildungen gemacht und viel über den Wein gelesen.» Seine Frau und die Kinder sind erst danach in die Weinhochburg nachgereist. «Ich blieb mit Sohn und Tochter in der Schweiz, bis sie das laufende Schuljahr abgeschlossen hatten», erinnert sich Charlotte Herter. Sie seien totale Exoten gewesen und die Franzosen hätten ihnen kaum mehr als ein oder zwei Jahre zugetraut, erzählen die beiden über ihre ersten Erfahrungen in Frankreich.
Obwohl die Herters ihre Auswanderung nie bereut haben, gab es einige bange Momente zu überstehen. Neben den anfänglichen Sprachproblemen bezieht sich die ehemalige Einwohnerin von Mörigen dabei auf den Absatz ihres Weines. «Vor allem während des Irak-Krieges, als auch noch ein grosser Kunde abgesprungen war, mussten wir jeden Tag um unsere Existenz kämpfen», sagt die leidenschaftliche Reiterin, «wir wussten nicht, wie es weitergeht.»
«Ich sah auf diesem Weinberg die einmalige Chance, etwas eigenes auf die Beine zu stellen», sagt Thomas Herter. Mittlerweile führt er die Gäste, die das Grundstück regelmässig besuchen, selber durch die 33 Hektaren Rebberge. «Es ist ein spannendes und interessantes Gebiet», sagt er. Etwas angespannter wirkt er, wenn er die Weinpreise in den Restaurants anspricht: «Ich kann nicht verstehen, wie ein Wirt einen elffränkigen Wein in einem Restaurant für 75 Franken verkaufen kann.»
Ebenfalls schade finden die Herters, dass ihr Wein zwar in Amerika oder England, aber kaum im Seeland zu finden sei. «Das ist wie bei einem Propheten, der zählt oft auch im eigenen Land am wenigsten.» Mit ihrem Besuch an der Vinifera, beim Weinstand «Hugi», will das Paar dies ändern.
Château Segonzac
Wurde im Jahre 1990 von Jacques Marmet erworben. Weinberge auf 33 ha an einem Hügel auf der Gironde. Alter der Weinstöcke: 25 bis 50 Jahre. Ton- und kalkhaltiger Boden. Rebsorten des Bordelais: Merlot 60 Prozent, Cabernet Sauvignon 20, Malbec 10 und Cabernet Franc 10 Prozent. (rbo)