2017. Ein Jahr auf der Achterbahn
Schon beim Austrieb: Wieder Fraßschäden durch Erdraupen, wieder Nachtschichten, um mit Stirnlampe und kleinem Eimer bewaffnet die unangenehmen Zeitgenossen ein zu sammeln. Zweimal wurde die Polizei alarmiert – der nächtliche Fackelzug durch die Weinberge war unseren wachsamen Nachbarn nicht geheuer. Aber die Hühner unseres Mitarbeiters Roland haben sich über die konzentrierte Eiweißnahrung sehr gefreut. ‘ Ein früher Austrieb birgt leider auch immer die Gefahr von Frostschäden. Diesmal hat es uns erwischt. Nicht so existenziell wie viele andere Kollegen, aber es hat gereicht… In fast allen Weinbergen gingen wertvolle Triebe verloren. Das schmerzt nicht nur wegen der fehlenden Trauben, viele Reben bekamen hierdurch einen Schock für’s ganze Jahr, haben schlecht geblüht und waren sehr viel anfälliger für Pilzerkrankungen.
Trotzdem, drei Jahre nach Einführung des „sanften Rebschnitts“ war es eine Freude, die vitalen Reben wachsen zu sehen. ‘Waren wir bei dem regenreichen Sommer 2016 noch glimpflich davon gekommen – In diesem Jahr sind die Pilze Amok gelaufen. Obwohl wir mit Backpulver (sic!) ein unglaublich wirksames Mittel gegen Schimmelpilze haben: Der Befallsdruck war in diesem Jahr extrem hoch, die Verluste an Trauben ebenfalls. Wie schön zu sehen, dass unsere vielen Mitarbeiter immer noch bei guter Laune waren, um dem grünen Reben-Dschungel Struktur zu geben! ‘ Dann kamen Gewitter mit Hagelschlag, dann wurde es im August an ein paar Tagen noch einmal so heiß, dass einige dem Sonnenlicht ausgesetzte Trauben verbrannten… Uff… Sah es nach der Blüte noch nach einer – endlich mal wieder – größeren Ernte aus, war es im August klar, dass wir unser angestrebtes Ertragsniveau von 5000 Litern pro Hektar auch in diesem Jahr wieder bei Weitem nicht erreichen würden. ‘ Gegen eine frühe Blüte – global warming lässt grüßen – ist aus der Qualitätsperspektive nicht einzusetzen. Was früher blüht ist dann halt auch früher reif. Unangenehm ist es allerdings, wenn die Blüte zeitig beginnt und sich dann, wie in diesem Jahr, über mehrere Wochen hinzieht.
Durch den daraus folgenden heterogenen Reifeverlauf muss jeder Weinberg zweimal gelesen werden. 2017 waren der ersten Trauben schon Anfang September reif. Das haben leider auch die lieben Waldvögelein bemerkt und kurz darauf schafften es auch die Wildschweine, die Zäune an verschiedenen Stellen zu durchbrechen um sich an den Trauben genüsslich zu tun. ‘ Bei spätsommerlicher Hitze kamen aber auch die Wespen – und mit ihnen der Essig. Da war schnelles Handeln angesagt!
Offizieller Beginn der Vorlese war der 8. September. So früh wie noch nie. ‘ Aber, alles hat auch seine guten Zeiten: Durch die Hitze gab’s auch eine Fülle köstlicher Rosinen. Und die hatten – weil so früh im Jahr – neben einem hohen Zuckergehalt auch noch eine fantastische Säure. „Süßweine“ sind ja nicht unser Thema. Aber Auslesen, bei denen Süße und Säure in der gleichen Intensität daherkommen… Über 500 Liter geradezu elektrisch aufgeladene Beerenauslesen reifen in unserem Keller! Das Resultat von sortieren, sortieren, sortieren… Jeden Tag standen parallel zur Lese von morgens bis abends sieben Mitarbeiter am Sortiertisch: Hoch- wertige Botrytis für die Auslesen, optimal reife Trauben für die Klassiker, und alles andere auf den Kompost. ‘Und die viele Arbeit hat sich wieder einmal gelohnt. Unglaublich, wie sehr der Charakter jedes Weinbergs schon im frisch gekeltertem Most zu schmecken war! Nun reift der junge Wein in Ruhe in seinen Fässern – und wir alle freuen uns auf Frucht und Präzision, auf Fülle und Mineralität, auf einen fantastischen Jahrgang. (Textcopyright Heymann-Löwenstein, Bildrechte K&M Gutsweine)