Eklat bei der Mitgliederversammlung des Zweitligisten Karlsruher SC: Als Torwart-Titan Oliver Kahn ans Mikrofon schritt, um Stimmung für seinen Vater, den Präsidentschaftskandidaten Rolf Kahn, zu machen, eskalierte die Situation in der Halle.
Der Neue sagte mit unüberhörbar schwerer Zunge “Verfassungsvermögen” und meinte Fassungsvermögen, er sagte “ich bin vom KSC infisziert” und meinte infiziert. Als Lokalpolitiker Paul Metzger (Oberbürgermeister von Bretten) ebenso schweren Schrittes aufs Podium strebte, sagte er: “Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger”. Die Mitglieder des Karlsruher SC wählten ihn trotzdem im ersten Wahlgang mit 758 von 1424 gültigen zu ihrem neuen Präsidenten und setzten in der Reihe skandalöser und peinlicher Versammlungen von Fußballklubs einen neuen Höhepunkt.
Spät in der Nacht kam es in der Europahalle in Karlsruhe zum Eklat, als das neue Mitglied Oliver Kahn ans Mikrofon schritt. Der Ex-Nationaltorwart und Sohn des Präsidentschaftskandidaten Rolf Kahn, Metzgers Konkurrent, wurde ausgepfiffen, angepöbelt, und es kam fast zu Handgreiflichkeiten. Die Polizei nahm einen Anhänger nach dem badischen Komödiantenstadl in Gewahrsam.
Wie vor dem Elfmeterschießen im Champions-League-Finale lief Kahn Junior neben dem Mikrofon auf und ab und wartete auf die Gelegenheit, in die chaotische Debatte einzugreifen. Ein dort bereits wartender Fan, der zum dritten Mal sprechen wollte, pöbelte Kahn an, der mehrfach Handgreiflichkeiten verhindern konnte, weil er beruhigend auf den Fan (“Ich habe schon den Ministerpräsidenten Oettinger geküsst”) einredete. Aus der Halle versuchten viele, darunter vor allem Mitglieder der Fangruppierung “Supporters”, Kahn zu stören. Es gab ein minutenlanges gellendes Pfeifkonzert und Buhrufe. “Hau ab”, brüllten einige, andere riefen: “Geh zurück nach München”. Ordner eilten herbei, um den langjährigen Bayern-Torwart Kahn zu schützen.
“Ich liebe den Verein immer noch”
Mitten in der Flut der Anfeindungen brüllte Kahn zurück und ins Mikrofon, um sich doch Gehör zu verschaffen. “Mein Vater braucht meine Hilfe nicht”, sagte er. “Er hat ein Konzept mit Herzblut vorgestellt. Ich bin hier, weil ich in diesem Verein groß geworden bin und weiß, wo ich her komme”. Wieder gab es gellende Pfiffe und abfällige Zwischenrufe. Kahn aber fuhr mit seinem Monolog fort, obwohl man sich gerade in einer Fragerunde befand. Knappe 14 Tage zuvor erst war Kahn als Mitglied eingetreten und mancher sah darin eine billige PR-Aktion. Der “Titan” sah das an diesem Abend anders. “Ich habe noch nie ein schlechtes Wort über diesen Verein gesagt und habe ihn immer verfolgt”. Dann sagte er: “Ich liebe den Verein immer noch.”
Die Kahnsche Brandrede heizte die brodelnde Stimmung weiter auf. Einer forderte wütend den Ausschluss der Presse: “Wir benehmen uns hier wie die Vandalen, ich habe keine Lust morgen in der Zeitung zerrissen zu werden”. Der umsichtige Versammlungsleiter ignorierte den Vorschlag und verkündete den Sieger und Nachfolger von Hubert H. Raase: Paul Metzger erhielt 748 Stimmen, Siegfried König (Ex-Bürgermeister von Karlsruhe) 381 und Rolf Kahn kam mit 295 Stimmen nur auf Platz drei.
“Ich schäme mich so als Karlsruher”
Metzger wusste schnell bei wem er sich zu bedanken hatte. Er dankte zuerst den Fans mit unüberhörbaren Sprechpausen mitten in manchem seiner Worte. Metzger wird eine besondere Nähe zur Fangruppierung “Supporters” nachgesagt. Die Hardcore-Fans des KSC hatten Metzger offen unterstützt und in Anzeigenkampagnen zu seiner Wahl aufgerufen. Es gab viele spontane und kurzfristige Vereinseintritte, die, das lässt die Vereinssatzung zu, alle Wahlberechtigt waren. “Der Mann muss in Bretten aufhören, weil er bald 65 wird. Der hat soviel Power, es wäre eine Sünde, die zu vergeuden”, rief eine Dame aus dem Metzger-Fanlager.
Als Wahlleiter Ingo Wellenreuther (Bundestagsabgeordneter der CDU) den Sieger auf die Bühne bat, sagte er süffisant: “Das setzt voraus, dass es Herr Metzger schafft, auf die Bühne zu kommen.” Und Karlsruhes ehemaliger Oberbürgermeister Professor Gerhard Seiler lief umher und stammelte: “Ich schäme mich so als Karlsruher”. Alle drei Kandidaten hatten eine mehr als schlechte Vorstellung geboten und der Klub sein ohnehin angekratztes Image weiter beschädigt. Kandidat König hatte mehrfach den Kahn-Clan angegriffen: “Er will mit seinen titanischen Kräften seinem Vater helfen, hier geht es aber nicht um Strohfeuer, sondern um Nachhaltigkeit”.
Vater kahn spürt Erleichterung
Die Kahns aber zeigten, nachdem sich Vater Kahn strategisch ungeschickt, vom Podium herab offen mit Fans angelegt hatte, in der Niederlage durchaus Größe. Oliver Kahn stand sogar (gezwungener Maßen) auf und reichte dem Kahn-Bezwinger und frisch gewählten Paul Metzger die Hand. Wie nach einem Familienstreit am Weihnachtsabend hatte der versöhnlich gerufen: “Oli, komm her.”
Vater Kahn spürte “Erleichterung”, weil alles vorbei war. Und Sohn Oliver gratulierte dem Sieger und meinte: “Mein Vater verliert nicht gerne, aber vielleicht war die Zeit noch nicht reif. Was uns hier begegnet ist, haben wir zum Teil erwartet. Manches aber ist doch niveaulos geworden. Aber Emotionen gehören zum Fußball, sie sind gewisser Maßen auch die Seele des Fußballs.” Gegen 1 Uhr in der Nacht verließen Vater und Sohn Kahn geschlagen die Halle.
Von Oliver Trust, Karlsruhe